Recklinghausen – Ruhrfestspiele
Bevor es nach Recklinghausen geht, wird erst mal Heinz Holtmanns neue Galerie im Rheinauhafen eröffnet. Er hatte mich vor ein paar Wochen eingeladen, doch eine Arbeit zum Thema „Am Strom – Bilder vom Rhein“ zur Einweihungsausstellung beizusteuern, und ich hatte sofort zugesagt, bevor ich mir auch nur einen einzigen Gedanken darüber gemacht hatte, was ich denn überhaupt zu diesem Thema machen würde, bis es mir dann bei meiner allmorgendlichen Fahrradstrecke einfiel: Natürlich irgendwas mit dem Kilometerstein aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, auf dem man die Entfernung von Köln nach Basel bzw. Rotterdam ablesen kann. Er steht völlig unbeachtet und bemoost im Weisser Bogen und hatte mich vor ein paar Jahren schon zum ursprünglichen Titelsong des „Aff un zo“ Albums, „Suwiesu“ inspiriert.
Von 12 bis 14 Uhr also unter Beobachtung eines WDR-Kamerateams in Holtmanns wunderschöner neuer Galerie und dann nach Recklinghausen, wo ich völlig überrascht bin, dass wir nicht mitten in der Stadt auf schmelzendem Asphalt, sondern auf der Wiese eines herrlichen Parks unter schattenspendenden Bäumen gegenüber des Festspielhauses vor ungefähr 6000 optimal eingestimmten Menschen spielen. Zwar musste ich die Setliste aus Rücksicht auf eventuell belästigte Anwohner um eine Stunde kürzen, aber in Endeffekt ging es dann doch bis 22:20, ohne dass sich jemand aufgeregt hat. Die Leute, die ich gestern noch auf dem „1. BAP-Fan-Treffen“ auf dem Bahnhof Ahrdorf (wo wir seinerzeit die Alben „für usszeschnigge“ und „vun drinne noh drusse“ vorbereitet hatten) besucht hatte, haben für „Dreimohl zehn Johre“ noch in Nachtarbeit ein riesiges, auf die schnelle nicht entschlüsselbares Bild gemalt, was sie während des Songs hochhalten, mit dem Effekt, dass wir auf einmal den Faden verlieren und das Solo mangels Konzentration entfällt. Leider befindet sich das Kunstwerk nach der Show schon im zusammengerollten Zustand im Truck, so dass wir es uns erst in Künzelsau genau ansehen und entschlüsseln können. Wie mir die Künstlergemeinschaft bei der Aftershowparty erklärt, gibt es zu jedem der 14 Studioalben ein Motiv. Bin mal gespannt.
Insgesamt ein sehr erfreulicher Tag, der Wettergott scheint es wieder gut mit uns zu meinen, so stelle ich mir ein optimales Open Air Konzert vor. Auch die Probleme mit dem Asphaltpiraten-Backdrop sind gelöst, die beiden rechts und links daneben gehangenen Lappen bringen den alleine doch sehr martialisch wirkenden Totenschädel wieder in die angemessene Proportion.
Auch nicht schlecht kommt die inzwischen 54 Jahre alte Gibson-Goldtop, die ich zuletzt während der Pik-Sibbe- Tour gespielt hatte. Habe sie in der Woche vor Arnsberg wiederentdeckt und bei einigen Songs eingesetzt, was ich ab jetzt wohl öfter tun werde. Klingt gut, und was fast genauso wichtig ist: Sie erzählt mir Rock’n’Roll-Geschichten aus einem halben Jahrhundert, denn als Bill Haley „Rock around the Clock“ aufnahm (was als die Geburtsstunde des Rock’n’Roll gilt), war sie schon seit zwei Jahren im Rennen.