Erlangen, E-Werk
Der Tag beginnt mit einer schlechten Nachricht, mit einer über Nacht angekommenen SMS meines Sohnes Severin: Unsere Oma ist gestorben! Nach dem Konzert in Reutlingen hatte ich noch hier hineingeschrieben, dass wir sie mal Mitte der Achtziger in dieser Stadt besucht hatten, und jetzt ist die Mamm, die Kaate läät aus „Do kanns zaubre“ tot. Ich überlege kurz, ob wir den Song heute abend ihr zu Ehren anstatt „Paar Daach“ spielen sollten, sehe aber ein, dass so was für das Publikum nur sehr schwer nachzuvollziehen wäre und beschließe, ihr stattdessen insgeheim „Chippendale Desch“ zu widmen. Sie war jedenfalls eine wunderbare Frau, die mit Sicherheit kein leichtes Leben hatte und trotzdem nie ihrem Humor verloren hat. Unser Verhältnis ist auch durch das Scheitern meiner Ehe mit ihrer Tochter nicht beeinträchtigt worden. Ich bin froh, dass ich am Freitag zu ihrer Beisetzung wieder in Köln bin.
Die letzte gemeinsame Strecke, die wir zu viert fahren, bevor Annes Freund Ulrich sie uns nach der heutigen Show entführt, nutzen wir noch für Brian de Palmas „Scarface“ mit Al Pacino, den wir wegen Überlänge allerdings lediglich zu zwei Dritteln schaffen. Im Erlanger E-Werk angekommen übermittelt man uns als erstes schöne Grüße von Culcha Candela, die hier gestern abend aufgetreten sind. Zuletzt waren wir im Laufe der „Aff un zo“-Tour in Erlangen, woran meine Erinnerungen allerdings leicht getrübt sind, denn die Stadthalle hatte unter einem riesigen Balkon wohl dermaßen abstruse Sound-Strudel erzeugt, dass unser ansonsten durchaus gelungenes Konzert massiv beeinträchtigt wurde. Ansonsten fällt mir zu Erlangen immer noch dieser Redouten-Saal ein, in dem wir im Verlauf der „Vun drinne noh drusse“-Tour gespielt haben. Nicht gerade einfach, in dieser Gegend eine optimale Spielstätte für BAP zu finden, das heutige E-Werk wäre es auch nicht, da würde eine normale Tour-Produktion nicht reinpassen. Mir persönlich gefällt eindeutig der Serenadenhof (Was für ein Name!!) in Nürnberg am besten.
Das heutige Konzert nehmen wir also noch mal (für alle Fälle) auf, und da Ulrich nun mal da ist finden wir, dass er sich dann auch direkt noch mal – wie schon in Berlin – nützlich machen kann. Trifft sich sehr gut, denn wie bereits erwähnt, war die Ur-Version von „Blonde Mohikaner“ ja mit Slide Guitar geplant gewesen. Der Gig verläuft so entspannt wie keiner zuvor, was wohl vor allem an dem heute extrem gut sichtbaren, aufmerksamen und erwachsenen Publikum liegt. Das hier ist definitiv Wohnzimmer-Atmosphäre. Alles optimal im Kasten, sodass wir im Ernstfall aus den Reutlingen- und Erlangen-Aufnahmen eine ordentliches Tour-Dokument zustande kriegen würden. Durch den hier üblichen verspäteten Anfang sind wir erst nach Mitternacht durch und sitzen dann noch ohne es zu merken zwei Stunden in gemütlicher Runde in der Garderobe. Ein paar alte Freunde, wie der Ex FC-Spieler Christian Springer und der Journalist Christian Mückl sind gekommen, und man kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Der Gedanke, dass das hier der letzte W.N. & Co.-Gig gewesen sein soll, wäre unerträglich. Gut zu wissen, dass es nach der BAP-Extratour auf jeden Fall noch mal zwei davon geben wird. Eins im Wolfshagener Festivalzelt und ein Wiederholungsgig in Worpswede. Es war jedenfalls eine ganz, ganz bezaubernde, restlos ausverkaufte Tournee, viel zu kurz, dafür aber sehr intensiv. Mir ist vieles klarer geworden und für mein Selbstbewusstsein, was kommende Aktivitäten mit der Stammkapelle betrifft, konnte uns nichts Besseres passieren. Die kommenden Wochen werden, obwohl ich viel unterwegs sein werde, in erster Linie unter der „Rubrik“ Songwriting verlaufen. „Alles andere ist primär!“ hatt ein Fußballer mal gesagt.