Rebound
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Bonn, Museumsmeile

Breche mit Didi bereits unmittelbar nach dem Frühstück in Richtung Bonn auf, weil wir 1. noch in Alf beim Winzer unseres Vertrauens „Traubenflüsterer“ für unsere kleine Aus-Chill-Party im allerengsten Kreis nach dem heutigen Abschlusskonzert zuladen müssen und 2. früh genug on location sein wollen, weil bis zum Einlass noch Gott-weiß-was ansteht. Vor allem eine ausführliche Probe mit unseren Gästen (den Ganes-Mädels, Julian Dawson und Annes Freund Ulle mit seiner Lapsteel-Gitarre) die somit gleichzeitig zum ausführlichsten Soundcheck der gesamten zweijährigen Pandora-Live-Phase wird. Alles klingt perfekt, obwohl Helmut immer noch so gehandicapt wie gestern ist. Der Monitorsound auf der Bühne ist durch den Verzicht auf In-Ear-Monitoring im Verlauf der Extratour dermaßen gut geworden, dass wir kaum noch nachvollziehen können, warum wir da erst jetzt drauf gekommen sind. Umso größer dann unser Entsetzen, als wir nach der vierten Nummer der Show mitkriegen, dass irgendetwas mit unserem P.A.-Sound nicht stimmen kann. Handzeichen vor allem aus einem Bereich des Publikums halbe Strecke zwischen uns und dem Frontmixer, man höre Helmuts Gitarre nicht und auch mein Gesang wäre kaum wahrnehmbar. Unerklärlich, denn der Sound war vor zwei Stunden noch überall auf dem Gelände perfekt und bei uns auf der Bühne hatte Rainer, unser Monitormixer, auch jetzt noch alles im Griff hier oben. Wohlklang allerorten. Okay, denke ich, da muss wohl noch etwas nachjustiert werden, denn bekanntlich klingt ein voll besetztes Auditorium ja anders als ein leeres. Im Verlauf der nächsten Nummer dann aber keine Besserung. Immer mehr Handzeichen signalisieren, dass Helmut für alle, die nicht auf der Bühne stehen, Luftgitarre spielt. Vor Song Nr. 6 „Morje fröh doheim“ hole ich wie gewohnt Anne dazu, aber in Sachen Helmut tut sich offensichtlich immer noch nichts. Inzwischen registriere ich, dass es wohl auch insgesamt draußen viel zu leise sein muss. Sprechchöre: „Lauter, lauter“ und Buhrufe in Richtung Frontmixer. Die Situation fängt definitiv an, ungemütlich zu werden. Lange kann man da nicht mehr gelassen mit umgehen, auf keinen Fall drei Stunden lang. Hinter der Bühne rotiert alles was rotieren kann, mein persönlicher Anker besteht aus Uwe „Leuchtturm“ und Bea aus Hamburg, die ich mitten in dem Pulk sehe, wo das Grauen wohl am größten ist, die sich in konstruktiver Form bemühen, mich auch während der Songs über den Stand der Klangverhältnisse auf dem Laufenden zu halten. Es ist völlig klar: Da will uns keiner was. Song Nr. 8 „Chippendale Desch“: Ich hole Ulle auf die Bühne, er stöpselt ein und höre da: Er ist vernehmbar, Helmut aber merkwürdigerweise immer noch nicht. Das ändert sich erst während Song Nr. 9 „Nix wie bessher“. Ein Ruck geht plötzlich durchs Publikum, Zwischenapplaus, hochgereckte Daumen, es klingt endlich so wie geplant. Was war passiert? Die Platzbetreiber haben die Lautstärkenlimitierung (vergleichbar mit dem Tempomat eines Autos) auf 94 Dezibel aufgehoben, zu 10 weiteren Dezibel ihr okay gegeben und alles ist gut. Besser: Alles wäre gut, wenn der Schwarze Peter nicht bei uns hängen bleiben würde, was er aber erfahrungsgemäß wird. Wie ich nach der Show erfahre, hat man (nicht wir!) zwei Riesenfehler gemacht: 1. Die Dezibelmessung an den Stellen außerhalb des Geländes, an denen die 94 db nicht überschritten werden dürfen, haben gar nicht stattgefunden, die Lautstärkenbegrenzung wurde erstmal aus der Hüfte festgelegt und eine exakte Messung erst im Verlauf unserer zweiten vier Songs nachgeholt. Hierbei stellte man (nicht wir!) dann fest, dass die Grenze bei weitem noch nicht überschritten war und gestattete als Wiedergutmachung sogar zusätzliche 10 db, was (gefühlt) eine Verdopplung des Pegels bedeutete. 2. Der eigentlich Hammer: Die Limiter waren erst NACH unserem zweistündigen Soundcheck eingeschaltet worden, weil man (nicht wir!) den Mann mit dem Eichgerät nicht vor Ort hatte, womit unsere komplette Tonprobe für die Katz war. Das alles wissen wir im Rampenlicht natürlich nicht, wir bemühen uns die Nerven zu behalten und dem Mantra zu vertrauen welches da unerschütterlich behauptet, es sei noch immer alles gut gegangen was es dann auch tat. Im Verlauf der beiden Mantra-Songs „Aff un zo“ und „Et ess, wie’t ess“ kein Rückschritt, und als ich die Ganes-Mädels auf die Bühne hole, allgemein tiefes Durchatmen: Wir sind endgültig auf Kurs und bringen die Show wie erträumt nach Hause. Ein Homerun (und der war fest eingeplant) geht allerdings anders. Was bleiben wird ist ein bitterer Nachgeschmack ob des unprofessionellen Umgangs mit dem zugegebenermaßen schwierigen Problems der Lautstärkenlimitierung bei Konzerten auf dem Bonner Museumsplatz, denn einerseits hätten nicht wenige der unmittelbaren Anlieger es am liebsten, wenn diese traumhafte Location für Konzerte stillgelegt würde und andererseits würde es dem Publikumszuspruch schaden, wenn das Thema „zu leise Rockkonzerte“ an die große Glocke gehangen würde. Eine Gefahr, die aber nicht besteht, schließlich sitzt die größte Bonner Zeitung als Präsentator dieser Konzertreihe mit im Veranstalterboot. Zurück an den Anfang meiner diesbezüglichen Überlegungen: Der Schwarze Peter wird bei uns liegen bleiben, wir waren das Versuchskaninchen der Saison 2010. Konsequenz: Die Lehren daraus ziehen und dabei nicht vergessen, dass wir allen Grund haben, stolz auf uns zu sein, denn so gelassen wie wir hätte wohl kaum eine Band die Karre aus dem Dreck gezogen. Man stelle sich bloß „The Who“ oder „Deep Purple“ dermaßen gehandicapt vor. Pete Townshend habe ich hier schon aus weitaus geringerem Anlass abdrehen gesehen und auch die Patti Smith-Group, auf die ich mich trotz allem bereits sehr freue, würde in vergleichbarer Situation deutlich weniger Geduld haben als wir. Aber da hilft jetzt auch kein Nachkarten und kein Gegreine. Wir haben uns nichts vorzuwerfen, im Gegenteil ein makelloses Konzert gespielt. Wir machen weiter mit Musik, Mund abputzen und volle Kraft voraus in Richtung Recording Session zum nächsten Album. Neun eigene Songs sind bereits unter Dach und Fach, aufnahmebereit.

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