Dienstag, 7.Juni 2011 – Berlin, Babylon-Kino
Der Weckruf ereilt mich um 7 Uhr. Mit dem Taxi zum Ku’damm, zu 105,5 Spreeradio, wohin mich Jochen Trus zu einer einstündigen Sendung eingeladen hat. Gegen Mittag trifft Oliver ein, und wir können uns an die endgültige Textauswahl für die kommenden zwei Abende machen. Wir haben das Gefühl, zumindest in Berlin und im thüringischen Meiningen sollte man noch einmal die Story unserer geplatzten DDR-Tour erzählen. Nicht ganz einfach, denn die kleinstmögliche diesbezügliche Textmenge überschreitet deutlich jede andere Passage des Abends, so dass genaugenommen dafür zwei Lesesequenzen plus zwei Songs rausfliegen müssten. Würden wir aber das tun, geriete die Gesamtzusammenstellung in eine merkwürdige Schieflage. Wir beschließen, es bis zu den Zugaben drauf ankommen zu lassen und uns zu diesem Zeitpunkt eine flexible Entscheidung zu erlauben. Wir treffen uns noch mit Holger und Katja vom BPB, die fürs kommende Frühjahr eine weitere Stipendiatenreise, diesmal nach Ostafrika, planen, zu der sie mich (wie schon im vergangenen Jahr nach Nigeria) einladen. Vor dem Soundcheck im Babylon noch ein Abstecher zum RBB-Kulturradio und dann testen wir mit Micha die sensationelle Stummfilmorgel dieses wunderbaren Kinos an. Eigentlich hatte ich gehofft, sie wäre für „Unger Linde enn Berlin“ tauglich, aber Micha winkt ab und wir probieren, wie sie denn wohl bei „Blonde Mohikaner“ käme. Fazit: Epochal! Micha schleicht sich im Verlauf der ersten Strophe, die ich alleine spiele, an das Riesengerät mit all seinen Spezialreglern und Effektschaltern und setzt erst zur zweiten Strophe ein. Ein ziemliches Aha-Erlebnis, das allerdings dann nochmal durch ein Bombast-Solo der Sonderklasse getoppt werden konnte. Muss dennoch zugeben, dass „Unger Linde“ besser zum gelesenen Text gepasst hätte, aber dazu hätten wir einen Flügel gebraucht, denn nur mit Gitarre tut’s die Nummer leider nicht. Es wird eine schweißtreibende Veranstaltung, denn in Berlin herrschen in diesen Tagen, wie anscheinend in ganz Deutschland, tropische Witterungsbedingungen. Schon zur Pause muss ich das Hemd wechseln und auf die Mütze verzichten, denn irgendwie werde ich den Sturzbächen, die sich zwischen Mützenschirm und Lesebrille in meine Augen ergießen, nicht mehr Herr. Ebenfalls bereits zur Pause hat der heutige Buchhändler die gesamte Menge seiner für diese Veranstaltung kalkulierten „Für ‘ne Moment“-Exemplare verkauft. Dementsprechend lang auch heute wieder die Signierstunde, bei der ich den Eindruck nicht los werde, dass den Leuten diesmal keiner gesteckt hat, doch bitte diese dämliche Handy-Fotografiererei sein zu lassen. Es geht deutlich auf 1 Uhr zu, als wir das Kino in Richtung Hotel verlassen. Keine Kraft mehr, mich mit dem Berliner Olli, mit Elmar, Sheryls damaligem Freund, mit Micha, Oliver und Didi auf einen Absacker zusammenzusetzen. W.N. aus.