Gulu – Uganda
Hotel Jojo’s Palace
Vormittags in ein nur 20 Minuten von Gulu entferntes Lager, wo wir mit psychologisch geschulten Sozialarbeitern verabredet sind, die uns Gespräche mit geheilten, vormals unter Depressionen leidenden Patienten ermöglichen. Diese stellen sich dann allerdings, zumindest in der Gruppe der männlichen Teilnehmer, als relativ schwierig heraus, weil wir natürlich verunsichert sind, nicht wirklich wissen, was wir mit unserer Fragerei anrichten. Einer der Jungs (alle zwischen 15 und 18 Jahre alt) erzählt uns, dass er zweimal entführt wurde und dass er, nachdem ihm die erste Flucht gelungen war, beim zweiten Mal mit seiner unmittelbaren Hinrichtung gerechnet hat. Nur dadurch, dass unter den Kommandanten ein Junge aus seinem Nachbardorf war, wurde er verschont. Wir verzichten darauf, ihn zu fragen, was er alles tun musste um sein Überleben zu rechtfertigen, er lässt allerdings auch keine Zweifel daran aufkommen, dass er immer wieder töten musste um selbst nicht getötet zu werden. Eine Art von verdrehtem Rachegefühl habe ihm dabei geholfen.
Nachmittags dann noch mal in’s Lager Unyama. Lucy hat alles organisiert, damit wir die Gesangsszene mit den ehemaligen Nachtpendlern nachdrehen können. Sogar ein Soundsystem mit zwei Mikrophonen und einem (!) Mikroständer hat sie aufgetrieben. Bei unserer Ankunft nieselt es leicht, trotzdem haben sich Unmengen von Kindern eingefunden, die mich schon fröhlich mit „Wot Gulu“ begrüßen. Offensichtlich hat Lucy sogar schon mit ihnen geübt. Das Gedränge und Geschubse vor dem Gebäude, aus dessen erhöhter Tür ich spielen soll, ist furchterregend. Kein Vergleich zu der Situation vor 3 Jahren im hiesigen Fußballstadion beim „Christmas in August“-Festival, wo ein regungsloses, verängstigtes Publikum von bewaffneten Militär auf Handgranaten-Wurfdistanz gehalten wurde.
Schon ein Gänsehautmoment, als zur Einstimmung unsere „Noh Gulu“-Liverversion über die PA-Boxen erschallt. Dann ist es soweit. Trotz erheblicher Rückkopplungen schaffe ich es, mich einmal komplett durch den Song zu kämpfen. Mirco gibt mir allerdings zu verstehen, dass er einen zweiten Durchgang gut gebrauchen könnte und ich beschließe, unter Zuhilfenahme von Lucys Einheizerqualitäten, nach der ersten Strophe den Refrain solange zu wiederholen, bis Mirco auch zufrieden ist. Denke, das Ding haben wir im Kasten. Kann es gar nicht erwarten, das im Mai hier gefilmte Material mit dem vom Dom und dem von heute auf den Song geschnitten zu sehen.
Nach dem Abendessen komme ich, obwohl ich hundemüde bin, nicht darum herum, auf der winzigen Terrasse vor „Jojo’s Palace“ noch ein paar Songs für unsere Entourage zu spielen. Schon seltsam, da sitze hier mitten in Gulu und spiele kurz vor Mitternacht Lieder wie „Souvenirs“, „Nix wie bessher“, „Für ne Moment“ „Verdamp lang her“ und natürlich „Noh Gulu“. Das hätte mir mal im August 2004 einer prophezeien sollen.