Köln
Freitagmorgen ab 10 Uhr einen Pressetermin nach dem anderen. Der größte Teil des Vormittags geht dann für den Dreh eines WDR „west.art“-Beitrages drauf. Nachmittags weitere Presse. Bin immer noch nicht mit meiner Grippe durch, auskurieren geht anders, aber immerhin beschränken sich die Beschwerden mittlerweile auf Naselaufen, Hals- und Kopfschmerzen. Vor allem fiebrige Nächte sind vorbei und der befürchtete Husten ist brav bei der Frau N. geblieben. Der hätte mich final aus dem Verkehr gezogen. Abends bedankt sich der FC – den ich mir vom Sofa aus zu Gemüte führe – bei seinem besten Torwart seit Toni Schumacher für eine überaus milde 1:0 Niederlage gegen den BVB und das Wochenende nutze ich noch einmal dazu, mich eingehend mit den ab Aschermittwoch mit der Band aufzufrischenden bzw. neu einzuprobenden 40 Songs für das vorgesehene Tourrepertoire zu befassen.
Montags (Rosenmontag!) klingelt der Wecker um 7:30 Uhr, denn um 8:30 Uhr sind wir im Reissdorf-Brauhaus auf der Severinstraße mit der Besatzung des Zugleiterwagens verabredet. 10:30 Uhr dann die offizielle Eröffnung des Rosenmontagszugs auf der Außentreppe der Severintorburg, direkt gegenüber des ehemaligen Ladens meiner Eltern. Christoph Kuckelkorn sagt ein paar Sätze und gibt dann das Mikro an mich weiter, damit der verlorene Sohn auch noch was zu seiner Rückkehr beisteuern kann. Mal ganz abgesehen davon, dass sich im Kölner Karneval seit 1981 ungeheuer viel in positiver Hinsicht verändert hat, macht es mir sogar das diesjährige Tourmotto noch zusätzlich leicht: „Köln hat was zu beaten“. Tina und ich sind als Hippies verkleidet für den aller ersten Wagen des Zuges aufs Dach eines riesigen bemalten amerikanischen Schulbusses abkommandiert. Inmitten von ungezählten Pappmachee-Koffern und –Rucksäcken geben wir eine Kamelle-schmeißende Hippie-Kommune ab, die mich irgendwie an T.C. Boyles Roman „Drop City“ erinnert. (Nun ja, bis Alaska werden wir nicht fahren müssen). Schon ein unbeschreibliches Gefühl, so dreieinhalb Stunden bei absolutem Kaiserwetter durch das überglückliche Köln zu fahren. Wo man auch hinschaut, überall nur tosende Begeisterung, kein Vergleich mehr zu meinen Eindrücken vom 1980er Rosenmontagszug, bei dem wir Jan un Griet begleitet hatten. Damals war mir vor allem die verkrampfte Kamelle-Gier und das verbiesterte Platzhirschverhalten der Frühaufsteher in der vordersten Reihe auf die Nerven gegangen („Wir stehen hier schon seit sieben Uhr,.. hier kommt keiner vorbei, geschweige denn davor!!“). Drei Jahrzehnte sind schon reichlich Holz. Unglaublich, wie schnell wir dann in der Mohrenstraße ankommen, wo man uns rechts ranfährt, damit der komplette Rosenmontagszug dann für die kommenden dreieinhalb Stunden am Zugleiterwagen vorbei paradieren kann. So privilegiert habe ich natürlich noch nie in 59 Jahren den Zug sehen können, es gibt was zu Essen, was zu Trinken, und vor allem sieht man tatsächlich noch mal in Ruhe alles, was sich Kuckelkorns Team für diesen Tag ausgedacht und verwirklicht hat. Auch hiernach ist es natürlich noch nicht vorbei, denn im engsten Kreis (immerhin auch noch ca. 200 Personen) zieht man dann noch ins Pullman Hotel um. Hier wird’s dann zwar etwas ruhiger, was mich aber nicht davon befreit, noch mit dem ARD-Tagesthemenmann Tom Buhrow „Pänz, Pänz, Pänz“ zum Besten geben zu müssen und auch ein Duett mit Vicky Junggeburth („Einmohl Prinz zo sinn“) war irgendwie nur noch konsequent. Als Zugabe Willi Ostermanns „Heimweh noh Kölle“, das auch bei der kommenden Tour wieder zur Schlussverbeugung aus dem Off erschallen wird, und ich bin mental sanft zurück dahin geleitet, was meinen Job fürs restliche Jahr bestimmt. (Mal ganz abgesehen, dass meine Autobiographie mit W.O.s Vierzeiler eröffnet wird.)
Alles joot jejange, nix passiert, keine Reue!!