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Montag, 27.Juni und Dienstag, 28.Juni 2011 – Köln / Rheinbach, Stadttheater

Montagvormittag zwei Telefoninterviews und danach in die Brinkgasse, um mir bei Dieter Bachmann eine neue Logbuchkladde zu kaufen. Diese hier wird nach diesem Eintrag voll sein. Nachmittags hole ich mit Tina dann den mir zum Geburtstag geschenkten 1970-er Benz aus der Werkstatt. War wohl alles doch ein wenig komplizierter als es sich der Zusammenschluss aus Freunden und Verwandten ursprünglich gedacht hatten. Jedenfalls fährt das Teil jetzt mal und ich muss zugeben, dass es schon was hat, obwohl für mich Autos im Grunde genommen lediglich Geräte sind, in die man ordentlich was verstauen kann und einen ohne Zicken von A nach B transportieren. Als hätte da einer dran gedreht, läuft ausgerechnet heute Abend im ZDF Clint Eastwoods „Gran Torino“ nur als ob ich bezüglich meiner vernunftbedingten Sperre in Puncto Oldtimer-Romantik weich geklopft werden sollte. Jedenfalls kommt unser Benz auf diese Weise zu seinen Namen. Nein, nicht „Frühlingsrolle“ und auch nicht „Bambusratte“ sondern schlicht und einfach „Gran Torino“. Es werden keine Flammen drauf gemalt und es kommt mir auch kein Tuckenspoiler aufs Heck. Das würde mir der schlecht gelaunte Herrgott aus dem Alten Testament mit Sicherheit übel nehmen.
Dienstagmittag mit Didi schon früh nach Rheinbach, damit ich mir noch in Ruhe das Städtchen meiner Jugendzeit im Jetztzustand zu Gemüte führen kann. Unterwegs fange ich mit meinem Kinks-Grundkurs für den „berühmten Herrn Hentschel“ an, nachdem ich feststellen musste, dass dieser außer jenen Kinks-Song, die irgendwann mal im Verlauf seiner Zeit im BAP-Betrieb aufgetaucht sind, nicht viel über diese stilprägende Kapelle weiß. Dafür ist der Mann einfach zu spät geboren, die ganz große Zeit der Kinks hätte er allenfalls als Kind mitkriegen können. Bei unserer Ankunft im Rheinbacher Stadttheater erwartet mich bereits Wilfried Hennig, einer der beiden Troop-Schlagzeuger, der immer noch mit unserem damaligen Bassisten Hein Pelzer und den beiden Schumacher-Brüdern Bernd und Arno die Troop-Nachfolge-Band „Tiebreakers“ betreibt. Somit machen wir uns zu zweit auf den Stadtbummel, schon erstaunlich, was sich alles in der Zwischenzeit verändert hat. Der „Saal Streng“, in dem ich dereinst mit meiner karierten Jagger-Hose für imaginäre Furore gesorgt hatte, ist beispielsweise jetzt eine Spielhölle. „Things have changed“ hatte der Meister noch am Samstagabend in Mainz gesungen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Interessant der Zustand des großen Platzes, auf dem auch damals schon die Kirmes aufgebaut wurde. Hier finden seit ein paar Jahren die „Rheinbach Classics“ statt, eine Veranstaltungsreihe zu der man uns wiederholt eingeladen hatte, was aber aus Termingründen dann nie realisierbar war. Fürs kommende Jahr sieht die Sache jetzt gar nicht so schlecht aus und sollten da nicht noch geschmacklich unüberwindbare Hürden auftauchen, werden wir unsere Planung für den Sommer 2012 danach ausrichten, was u.a. bedeuten würde, aus Gebietsschutzgründen nicht auf der Bonner Museumsmeile zu spielen. Fest steht für mich allerdings jetzt schon, dass ich dann das Plakat extra für diesen Auftritt machen würde, denn das diesjährige spottet jeder Beschreibung. Da hatte wohl jemand ein Grafik-Computerprogramm zu Weihnachten bekommen.
Auch die heutige Lesung ist wieder, wie auch schon die in Unkel, ein zum Teil riskanter Ritt durch meine Gefühlswelt. Vor allem die Pater L.-Passage mit dem anschließend erstmals solo gespielten „Nie met Aljebra“ ist nicht ganz einfach. Da steht man völlig nackt da, keine Band hilft einem, wenig Akkordwechsel, dafür endlos viel intensiver Text und sogar ein gesprochener Teil zu lediglich einer einzigen, ausgerechnet an dieser Stelle extrem zart gespielten Gitarre. Genau die Situation, die ich mit „Psycho Rodeo“ gemeint hatte. Muss allerdings feststellen, dass dieser Teil der Lesung ungeheuer eindrucksvoll war und ich darüber nachdenke, ihm zuliebe das Programm ab Saarbrücken grundlegend umzustellen. Als Zugabe heute nach der Passage mit der Gedichtinterpretationsklassenarbeit ausnahmsweise mal „Sympathy for the devil“, inklusive Huh Huh-Publikumsbeteiligung. Damit war dann der Kreis auch wirklich geschlossen. In der Tat habe ich keine Ahnung, wie mein weiteres Leben nach den Horrorerlebnissen im Konvikt St. Albert ohne diese kurz danach erworbene unverwundbar machende Rock `n` Roll-Rüstung verlaufen wäre. Die Signierstunde dauert bis kurz vor 1.00 Uhr, dementsprechend spät laufen wir wieder in Köln ein.
Unmengen Geschenke müssen noch nach oben, mein Geburtstag nimmt irgendwie kein Ende. Besonders aufmerksam ein längst vertrauter Langzeit-Fan namens Thomas, der mir doch allen Ernstes sein Exemplar des „The Royal Tenenbaums“-Soundtrack-Albums (siehe 10.06. / Bad Arolsen) überlässt, damit ich hinter die drei Nico-Songs komme. Zwei davon hatte ich tatsächlich noch nicht im CD-Schrank: „The days“ und „The Fairest of the seasons“. „Stephanie says“ von Velvet Underground war ein Vorläufer jenes Songs von Lou Reeds „Berlin“-Album, der bei mir zu „Liebesleed“ geführt hatte, den ich bisher auch nur in einer relativ rüden Live-Fassung kannte. Sollte mir mal endlich eine Compilation-CD mit ertragbaren Nico-Songs brennen, ähnlich der mit den Keith Richard-Songs, die den Sommer über vor unseren Auftritten über die P.A. läuft. Und meine Warhol-Fotobände über die Factory-Zeit sollte ich wohl auch endlich noch mal aus dem Regal holen. Keine Ahnung, was mich an Nicos relativ schlichter Stimme fasziniert. Wahrscheinlich ist es die Connotation mit dem Schicksal dieses kölschen Mädels Christa (Nico) Päffgen, das sich in den 60ern aufgemacht hatte, um in der New Yorker Szene das zu finden, was ihm zuhause fehlte. Noch kurz vor ihrem Tod 1988 hatte sie im Stollwerck einen ihrer letzten Auftritte, den ich aus irgendeinem Grund verpasst habe.

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