Ruanda, Hotel Mille Collines
Den Vormittag verbringen wir im Genozid-Museum von Kigali, das ähnlich ausgestattet ist wie das gestern in Murambi. Kunststück, denn es wurde ebenfalls – wie die meisten Genozid-Museen weltweit – vom Aegis-Trust konzipiert, einer Firma, die sich auf dieses Thema spezialisiert hat. Sehr professionell gemacht, der Unterschied zur gestrigen Gedenkstätte ist der, dass man hier auf zur Schau gestellt mumifizierte Leichen verzichtet hat. Auch so ein Punkt, wo sich die Offiziellen die Wahrheit zurechtbiegen. Sie behaupten nämlich, das sei mit den jeweiligen, eventuell überlebenden Angehörigen abgesprochen, und jeder, der seine Verwandten lieber ordentlich begraben wollte, hätte die Möglichkeit dazu gehabt.
Eine ebenso dreiste Lüge wie die, dass die Bevölkerung freiwillig bei den offiziellen, dörflichen Rasengerichten („Gacacas“) erscheine. Hier soll die Gemeinschaft über die Schwere der Schuld der einzelnen Völkermörder befinden. Ein traditionelles Verfahren, das wiedereingeführt wurde, um sich überhaupt in irgendeiner Form der Masse von Tätern widmen zu können. Durchaus diskussionswürdig, denn die Leute erscheinen nach dreizehn Jahren bloß noch, weil ihnen ansonsten Strafe droht. Ein fairer Prozess nach unseren Maßstäben findet nicht wirklich statt. Oftmals werden stattdessen alte Süppchen aus der Abteilung Nachbarschaftsgezänk aufgewärmt. Viele Frauen schämen sich auszusagen und ein Großteil der vorgeführten Täter ist den Anwesenden schlicht unbekannt, weshalb sie nach der Gacaca wieder in einem der hoffnungslos überfüllten Gefängnisse landen und Gefahr laufen, hier vergessen zu werden.
Habe natürlich gut reden, denn die Aufarbeitung des Genozids muss ja irgendwie versucht werden und eine Alternative zu den Rasengerichten ist offensichtlich noch keinem eingefallen.
Zum Mittagessen sind wir bei Dr. Alfred Jahn eingeladen, einem 70-jährigen, pensionierten Kinderchirurgen aus Landshut (dem einzigen übrigens in ganz Ruanda), der hier auf eigene Kosten drei Häuser gemietet hat, in denen er Kinder mit entsetzlichen Schicksalen wohnen lässt. Sehr beeindruckend, was dieser zähe Knabe hier leistet. Er steht von morgens bis abends im Operationssaal und steckt sein lächerliches Gehalt wie auch seine Rente in sein Projekt, anstatt es sich nach einem langen, arbeitsreichen Berufsleben als Chefarzt auf dem Golfplatz oder einer Rentnerinsel bequem zu machen. Wie es aussieht, habe ich einen neuen Helden gefunden.
Ebenfalls sehr beeindruckend, was die Leute vom DED (Deutschen Entwicklungsdienst) hier im Jugendzentrum Kimisgara auf die Beine gestellt haben. Die Gespräche mit Ihnen geraten sehr ergiebig. Bekomme nach und nach eine Menge Fragen beantwortet, was mir nach meiner Rückkehr sehr nützlich sein dürfte, wenn es darum geht, die viel zu winzige Lobby für Afrika zu vergrößern, auch wenn längst nicht alle Antworten angenehmer Natur sind.
Abends gibt der deutsche Botschafter mir zu Ehren ein Abendessen im Karisimbi Restaurant, zu dem ein Großteil der deutschen Gemeinde Kigalis erscheint. Bin überrascht wie viele Ruander in Köln oder Bonn studiert haben und teilweise sogar deutsch mit rheinischem Tonfall sprechen. Mit dem einen oder auch anderen von denen, die für die Regierung arbeiten, schaffe ich es sogar, etwas klartextmäßiger als gewohnt reden zu können.
Revanchiere mich für diesen schönen Abend mit ein paar Liedern.