Samstag, 1.September 2012 – Loreley / Freilichtbühne
Natürlich war das eine Illusion, das mit dem „Luft schnappen“ vor dem Tourabschluss, denn es gibt zuhause noch Unmengen zu tun. Sei es, was die Loreley betrifft oder die Vorbereitung der Arsch huh-Kundgebung am 9.November und damit vor allem das Album, mit dem wir die Chose finanzieren. Diese Woche muss das Artwork auf die Reihe gebracht werden (übrigens auch das vom neuen Hans Süper-Album, für das Tina und Isis erneut fotografiert haben) und auch langsam mal so was wie eine Programmabfolge des Konzertes selbst. Nicht ganz einfach, denn bei drei Stunden muss man jegliche Umbaupause wie bei einer Revue tunlichst vermeiden. Es kann halt nur funktionieren, wenn alle über dieselbe Backline spielen und möglichst viele Interaktionen passieren können.
Die Anreise zur Loreley findet bereits am Donnerstag, dem 30.August, statt, mit einem kleinen Zwischenstopp im Koblenzer Café Hahn. Hier spiele ich eine Handvoll Songs und werde von Andreas Krisam vom SWR im Rahmen einer „Koblenzer Presseclub“ betitelten Reihe ca. anderthalb Stunden befragt.
Freitagmorgen dann weiter zur Loreley, wo abends bei nicht unbedingt komfortablen Wetterbedingungen unser Soundcheck stattfindet. Nicht gerade einfach für unseren Achim, denn der Betonboden auf dieser Amphitheaterbühne bringt ziemlich ungewohnte Bedingungen mit sich. Aber mal ganz abgesehen davon, dass wir alle leicht frösteln, kriegen wir das dann doch ziemlich ordentlich auf die Reihe und können uns gegen 22:00 Uhr mit der Fähre aufs gegenüberliegende Rheinufer nach St. Goar übersetzen lassen, wo wir – wildromantisch – im Schloss Rheinfels Quartier beziehen. Inzwischen sind auch meine Damen eingelaufen, schließlich gibt es auf der Loreley in der Tat etwas zu feiern.
Heute morgen werde ich viel zu früh wach und noch im Bett komme ich auf die Idee, mir eine kölsche Strophe für „Knockin’ on heaven’s door“ zusammenzureimen, denn das Stück soll ja als Grundlage einer erneuten Loreley-Jam heute zum Grande Finale gespielt werden. Dreißig Jahre und drei Tage später also noch einmal dieser Song, der mir immer mehr wie ein Gebet vorkommt und zur momentanen Situation in Syrien wie auch im Ostkongo wie die Faust aufs Auge passt:
Putz mir einer’t Bloot vum Jeseesch,
wie’t ussieht, weiss he keiner mieh wofür,
wat dat ei’ntlich soll, met he dämm Kreesch
kloppe mir noch ahn die Himmelsdühr.
Wir frühstücken bei phantastischem Wetter mit einem Rheinpanoramablick, der keine Wünsche offen lässt („Wer fröhstöck schon em Wärme un luhrt op dä Ring?!) und bewegen uns bereits um 14:00 Uhr, ehe der Stau losgeht, wieder per Fähre über den Rhein in Richtung Venue. Nehme mir fest vor, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und das Programm zu genießen. Die Gefahr besteht für mich immer wieder darin, dass ich möglichst allen gerecht werden will, die sich Backstage-Zutritt verschafft haben oder von uns dahin eingeladen wurden und selbst dann nicht wirklich was von der Feier habe. Diesmal bin ich gewappnet und lediglich in den Umbaupausen bereiten wir abendliche, in unserem Set stattfindende Interaktionen vor. Peter Rüchel habe ich überredet, die Anmoderationen der einzelnen Acts zu übernehmen und los geht’s mit Stoppoks One Man-Show. Großartig, wie der geschätzte Kollege sein Publikum unmittelbar im Griff hat und seinen supertrockenen Humor unter die Leute bringt, mal ganz abgesehen davon, dass er unglaublich phantastisch Gitarre spielt. Danach dann Hubert von Goisern mit seiner auf drei Musikanten geschrumpfte Band. Ebenfalls der Hammer. Fast pünktlich kündigt uns Peter Rüchel an. Was er gesagt hat, kann ich leider hinter dem Vorhang nicht verstehen, es läuten die Domglocken, und schon beginnt die letzte Show dieser Tournee, deren Titel von „Die Klassiker“ aus gegebenem Anlass ja dann in „Das volle Programm“ abgeändert wurde. Ein Wahnsinnsgefühl, bei einem Bilderbuchsonnenuntergang hinter der Bühne auf dieses Publikum zu blicken. Gänsehaut noch und nöcher. Habe mir nicht überlegt was ich wohl sagen könnte, und das war auch gut so. Zu „Rita“ holen wir Hubert auf die Bühne (später dann noch einmal zu „Songs sinn Dräume“) und direkt danach meinen Freund Clueso zu „Aureblecke“ und „Für immer jung“. Schön, dass er den Weg von Erfurt hierher auf sich genommen hat. Zu „Millione Meile“ haben wir uns mit Stoppok verabredet, der auf Effjotts weißer Tele ein Solo der Extraklasse beisteuert. Obwohl wir lediglich zwei zusätzliche Songs spielen, dauert das Programm deutlich länger als drei Stunden, was wohl an den dann doch ausführlicheren Soli liegt, aber das ist ja nichts Schlimmes, denn am darauffolgenden Tag ist ja spielfrei!!
Zu „Knockin’ on heaven’s door“ hole ich schließlich den Kollegen Thorsten Wingenfeld von den Furys auf die Bühne und mit ihm alle Beteiligten des Tages. Würde mal sagen, dass wir heute wohl die ultimative „Rolling Thunder Review-Version“ dieses Songs gespielt haben: Nichts war geprobt, sämliche Soli waren spontan, der Anfang kam irgendwie aus der Ursuppe, und der allerletzte Akkord ging dorthin auch brav zurück. Bei dieser Gelegenheit fällt mir übrigens ein, womit ich meinen heutigen Vormittag verbracht habe, nämlich mit dem Hören des erst am 7.September erscheinenden neuen Dylan-Albums „Tempest“, denn am Montagmittag soll ich zu dem Thema ein Gespräch mit dem „Focus“ führen und dafür ist es natürlich unumgänglich, dass man mich das Werk mal vorab hören lässt. Mache mir in aller Ruhe (mit Rheinblick) meine ersten Notizen und bin fürs erste schon mal beruhigt: Das ist kein Dylan-Album, das ich mir schönhören muss. Leider sind keine Text im Booklet abgedruckt, sodass ich diesbezüglich noch etwas Geduld aufzubringen habe, bis die im Internet zur Verfügung stehen. Was ich jetzt schon weiß, ist, dass ich dieses Album vermutlich nie hören werde, ohne an den Rhein bei St. Goar zu denken, an diesem Morgen dieses denkwürdigen Tourabschlusskonzerts.
Nach der Show erstmal ein paar Minuten, wo ich niemanden sehen will, dann den Tourschrank ausräumen und alles ins Auto laden, um dann noch auf einen kurzen Umtrunk am Lagerfeuer zu erscheinen. Kurz deshalb, weil die letzte Fähre heute um 1:00 Uhr geht. Erfreulicherweise bin ich dermaßen geschafft, dass ich unmittelbar – sogar ohne „Kräutertee und irgendeine Reportage auf Phönix“ – einschlafe. Was richtig schade ist, ist der Umstand, dass wir uns nicht angemessen von unserer Crew verabschieden können, denn die waren noch mit dem Abbau beschäftigt, als die letzte Fähre längst abgelegt hatte. Werde mir mal Gedanken machen, wie wir das nachholen. Jedenfalls schon mal vielen Dank für alles. Ihr seid die Größten!!