Samstag, 3.November 2012 – Gutenbrunn (Österreich), Bühnenwirtshaus Juster
Den gestrigen Jahrestag meines Schlaganfalls haben wir im Wesentlichen auf der Autobahn verbracht. 600 Kilometer liegen zwischen Ludwigsburg und Gutenbrunn im Weinsberger Wald in Niederösterreich. Um die Zeit nicht mit zwei Off-Tagen zu verplempern, hatte Didi sich schlaugemacht, welche „Bühnenwirtshäuser“ denn wohl halbwegs an der Strecke nach Graz liegen. Es handelt sich hierbei um typisch österreichische Institutionen, die in letzter Zeit wohl eine Renaissance erfahren. Eigentlich etwas relativ Naheliegendes, denn so ziemlich jedes Dorf hat ja wohl irgendwann seinen an den örtlichen Gasthof angeschlossenen Saal gehabt. Und wenn sich da ein Enthusiast finden lässt, der mit schmalem Budget ein Kulturprogramm aufzieht, ist das natürlich etwas Großartiges. Jede Menge Arbeit natürlich, aber wie es scheint, ist dieser Dieter Juster sehr glücklich damit, diesen Schritt gewagt zu haben. Nach unserer Ankunft beziehen wir unsere Zimmer in der oberen Etage und werden amtlich bekocht. Dann Early Night. Im Bett arbeite ich noch an einem Song, den ich in der Türkei geschrieben habe, denn als ich ihn in Ludwigsburg beim Soundcheck erstmals verstärkt gespielt habe, hatte ich den Eindruck, dass da noch vier Zeilen fehlten. Komme ziemlich schnell auf die Lösung dieses Problems und ertappe mich zwischenzeitlich dabei, dass ich mir – dichtend im Bett – plötzlich vorkomme wie Spitzwegs „Armer Poet“. Heute, nach dem Frühstück, brechen Oliver und ich zu einem langen Spaziergang auf, den man hier „Die Seerunde“ nennt. Optimales Wetter, wunderbare Landschaft. Danach Soundcheck und eine weitere Gesprächs-Session fürs kommende Buch. Zum Konzert tauchen dann auch wie erwartet unsere österreichischen Ober-Fans Wolfgang, Harald und der Bierzauberer auf. Seit Wien vor zwei Jahren hatten wir uns nicht mehr gesehen, und irgendwie ist es ja nun wirklich ziemlich doof, dass wir auf diesem Tourteil keinen Termin mehr in der Hauptstadt auf die Reihe bekommen haben. Wir arbeiten daran. Die heutige Veranstaltung wird vermutlich als die intimste „Für ’ne Moment“-Lesung ever in die Annalen eingehen. Meine Befürchtungen, hier kämen wohl hauptsächlich BAP-unkundige Menschen hin, legen sich im Verlauf des Abends. Sehr angenehme Atmosphäre, ausgesprochen aufmerksames Publikum.