Winterthur, Salzhaus
Von Wien hierher selbstredend abermals „landschaftlich schöne Strecke“, nämlich nicht über Salzburg und München, sondern wir bleiben in Österreich, fahren nochmal an Wörgl und Innsbruck vorbei, dann durch den Arlbergtunnel zur Schweizer Grenze, überqueren den Rhein und erreichen Winterthur pünktlich zum Abendessen. Gehört wird unterwegs fast ausschließlich „The Wallflowers“ bzw. Jakob Dylan solo, bis mir plötzlich auf Dire Straits`“Love over Gold“in den Sinn kommt, als ich bemerke, wie viel schöner noch diese Alpentäler ohne die Scheiß-Autobahn wären. „Telegraph Road“ passt wie Faust aufs Auge, einer der großartigsten Rock-Texte ever, der mich immer wieder aufs Neue umhaut. Wenn nur diese grauenhafte Eighties-Produktion nicht wäre, was würde ich dafür geben, dieses Album in einer remixed Form, ohne all diese modernistischen Hall- und Effektspirenzchen zu besitzen, was übrigens für so manche Alben meiner Helden aus den Achtzigern gilt. Die hatten so ziemlich alle ihr „zeitgemäß produziertes“ Album. Bei Bob Dylan war es „Infidels“ und bei Bruce halt „Born in the U.S.A.“, sein kommerziell erfolgreichstes Album. Des weiteren hat uns der Lichtpeter Guy Ritchies Film „Rock´n Rolla“ ausgeliehen, den wir uns mit großem Vergnügen ansehen. Konzerttag ist „Christi Himmelfahrt“, leider sind da die Läden geschlossen, irre also gut zwei Stunden unterm Regenschirm durch die Altstadt und versuche vergeblich den Platz zu finden, auf dem wir im Verlauf der Pik Sibbe – Open Airs gespielt haben. Erst abends nach der Show klären mich hiesige Fans darüber auf, dass wir damals die Steinberggasse gerockt haben. Das Salzhaus ist ein ziemlich skurriler Platz für ein Rock-Konzert, denn die Sicht auf die kleine, niedrige Bühne wird durch zwei Säulen versperrt, so dass Werner während des größten Teils der Show für die meisten im Publikum unsichtbar bleibt ebenso wie Jürgen, dessen Schlagzeugpodest beim besten Willen nicht auf die Bühne passt. Man behilft sich mit diversen Projektionswänden, auf denen das Hauptgeschehen in den hinteren Teil dieser ehemaligen, vermutlich unter Denkmalschutz stehenden, Bahnhofslagerhalle übertragen wird. Da es erneut brechend voll ist und die Leute sichtlich positiv unterwegs sind, spielen wir heute trotz aller Hürden optimalen CBGB´s-Gig. Viel gelacht wird auch, beispielsweise weil ich wie Darth Vader in Star Wars op Kölsch „… verjesse hann, wat isch saare wollt“, nämlich die Anne vor „Morje fröh“ anzukündigen. Werner schafft es nicht, aus seinem toten Winkel zu seinen Gesangsbeteiligungen bis zu meinem Mikrofon durchzudringen, weil er dann seinen Bass nicht mehr hören würde, Kabelsalat-Gefahr obendrein. Was uns heute sehr beruhigt ist (ganz nebenbei!), dass Poldi im Spiel der Nationalmannschaft zwei von den drei deutschen Toren gegen Malta vorbereitet hat und wie von mir gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit kundgetan, lediglich Mitspieler braucht, die auf seinem Level Fußball spielen können.
Der letzte Anblick des Tages ist meine Kapelle, bewaffnet mit einer Flasche des hervorragenden Rotweins aus dem Catering (Primitivo), die im optimal ausgeleuchteten, höchst ungemütlichen Foyer des Parkhotels sitzt, weil der Barkeeper es nicht für notwendig hält, seinen Laden „… für diese Musiker“ geöffnet zu halten.