Wolfgangs Notizen
2. Feb. 06, Freitag, Berlin, Ullstein-Halle
41. Verleihung der Goldenen Kamera
Die Anfrage vom ZDF, ob ich bei der Verleihung der „Goldenen Kamera“ die Laudatio für Bob Geldof halten würde, nehme ich natürlich sehr gerne wahr. Also ab nach Berlin, wo ich nach über zehn Jahren (zuletzt hatten wir uns bei einem Open Air der Pik-Sibbe-Tour getroffen) den Mann wiedersehe, mit dem wir die komplette X für e U-Tour ungeheuer viel Spaß hatten.
Unvergessen die Scherze, die er und seine „Vegetarians of Love“ mit Dave Stewards „Spiritual Cowboys“ trieben.
Nachdem beispielsweise die „Cowboys“ mitten im Set der „Vegetarians“ einmal als Gemüse verkleidet (zur Beschaffung der Gemüse-Kostüme war extra einer nach London gejettet!!) die Bühne einmal von links nach rechts überquert hatten, seilte sich Sir Bob beim nächsten Open Air, nur mit einem Slip Cowboyhut und Flaps (so nennt man diese ledernen Beinschoner) bekleidet, aus dem Lichtrack direkt neben den völlig perplexen Dave Steward ab.
Große Freude beim Wiedersehen, es gibt viel zu erzählen. Selbstverständlich muss ich mir für diese Laudatio nun wirklich überhaupt nichts aus den Fingern saugen, auch wenn die Anzahl der zu begehenden roten Teppiche im letzten Moment so langsam meinen Schnitt versaut. Angenehmer Abend, sitze noch lange mit Bob, Barbara Rudnik, Uli Nöthen und diversen anderen Preisträgern zusammen.
Freue mich auch „unsere“ Marie Bäumer, die seit dem letzten Drehtag der in der Lichtburg nicht mehr gesehen hatte, mal wieder herzen zu können.
Die Laudatio:
„Der Mann, um den es jetzt gehen soll, wollte immer Rock`n Roller werden. Mit dem Erfolg der „Boomtown Rats“ und ihrem Hit „I don`t like Mondays“ wurde er in den 70er Jahren zum Weltstar. So hätte es weitergehen können. Er hätte alles haben können, was das Herz eines weltweit erfolgreichen Popstars erfüllt. Aber er hat sich anders entschieden.
Mitte 1984 sah er im Fernsehen eine Reportage über die Hungersnot in Äthiopien. Trauer, Hass und der Wille hier zu helfen wurden zur Triebfeder seines Lebens. Kurz darauf rief er „Band Aid“ ins Lebens, die mit ihrem Hit „Do they know its Christmas“ über 8 Millionen Pfund Stirling zugunsten Äthopien einspielten. Sein Konzertereignis „Live Aid“ schrieb 1985 Geschichte. Und nur er konnte im vergangenen Jahr erneut Musiker aus allen Kontinenten versammeln, um mit einer überwältigenden Neuauflage von Live 8 den Ärmsten der Armen eine Stimme zu geben.
Dieses Engagement hat ihm leider nicht überall nur Lobeshymnen eingebracht. Von Zynikern und selbsternannten Afrikafachleuten wurde er gar als „Pophansel“ diffamiert. Oder ihm wurde unverschämterweise unterstellt, er hätte es mit seinem Engagement nur darauf abgesehen, die eigenen Plattenverkäufe zu steigern.
Nein – ich weiss wie es in ihm aussieht und wie tief sein Engagement für eine gerechte Welt in seinem Herzen verankert ist. Rock`n Roll allein kann die Welt zwar nicht verändern, aber uns vielleicht motivieren, gemeinsam gegen Armut und Unterdrückung vorzugehen.
Denn wir alle sind es, die diese Welt zum Besseren gestalten können. Helfen wir deshalb Bob Geldof, und geben Afrika die Chance auf Schuldenerlass, Fairen Welthandel und Good Governance.
Sir Bob Geldof, dem viele ihr Leben verdanken, verdient nicht nur unsere Anerkennung. Er verdient vor allem unsere Unterstützung.“
12.Dez.2005, Maarweg Studios, I-Tunes Exclusiv-Konzert
Sind vor gut einer Woche wieder beim Stackman eingezogen, um am Tourprogramm zu feilen. Schwerpunkt der Proben ist, ist neuen Versionen auf ihre Live-Tauglichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls noch mal umzuarrangieren.
Der erste Test findet heute statt, wir spielen so was wie eine öffentliche Probe. Sechzehn Stücke stehen auf der Setliste, von denen wir ca. 10 Stück bei I-Tunes in’s Internet stellen werden, die sich der geneigt Unheilbare dann als Appetithappen für die kommende Tour runterladen kann. Etwas 120 Gäste sind eingeladen, unter ihnen auch die 20 Teilnehmer des Werkstattgesprächs bei der EMI vor zwei Wochen. Auch Christian Springer und Matthias Scherz vom FC (der sich zum Zeitpunkt der Kölnarena-Konzerte leider schon im portugiesischen Trainingslager befindet) sind gekommen.
Muss mir während der Veranstaltung immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass das hier kein Konzert ist, sondern eine Probe, bei der es wichtig ist bestimmte Songs pointiert zusammenzufassen, damit der Fluss der Show nicht unterbrochen wird. Fehler sind zwar zu vermeiden, aber kein Beinbruch, schließlich bleibt es uns unbenommen, das entsprechende Stück zweimal zu spielen. Plaudere reichlich zwischendurch, erzähle unter anderem die Story von Jürgens Pizzabäcker, der ihm erzählt hatte, er habe sich eine Kassette mit dreimal „Alle em Lot“ hintereinander aufgenommen: „Jürgen, isse prima faare amore mitte Freundin mitte Allesselohte. Ische maake Kassette mitte Alleesselohte…Wasse du trinke, Jürgen?“
Danach noch Gespräche, Autogramme und viele Erinnerungsfotos, ein sehr netter Abend.
15. Dez.2005, Donnerstag, Berlin, N24
Michel Friedmann hat mich zum Einzelgespräch in seine Sendung „Friedmann“ eingeladen. Da wir mit den Proben auch nach dem I-Tunes Gig gut vorangekommen sind, beschließen wir erst im Januar vor den Warm Ups in Haslach weiterzuproben.
Also um 16 Uhr als Selbstfahrer im Tiefflug nach Wahn, Flieger nach Berlin und schon um 19 Uhr sitze ich bei N24 in der Maske. Schön, Michel nach längerer Zeit wiederzusehen, bloß ungewohnt sich siezen zu müssen, weil das Format es so verlangt. Der Verlauf der Sendung weicht dann prompt von dem mit der Redaktion vereinbarten Thema ab, nämlich 30 Jahre Deutsche Geschichte anhand von ausgewählten politischen BAP-Songs abzuarbeiten. Statt dessen beharrt Michel auf den naheliegenden aktuellen Themen, die da wären:
1) Schröders neue Jobs, 2) Die verbalen Ausfälle des neuen iranischen Präsidenten gegen Israel, inclusive seiner Leugnung des Holocausts, 3) die CIA-Entführungen und die Frage, ob Folter nicht doch unter bestimmten Umständen legitim sei, 4) das Thema Irak, wo heute Parlamentswahlen stattfinden und 5.) die „neue Armut“ in Deutschland. Das alles natürlich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ich mit BAP seinerzeit gegen die deutsche Beteiligung am Irakkrieg, die nur durch die Wiederwahl von Rot-Grün zu verhindern war, vor dem Brandenburger Tor aufgetreten bin, was ihm als CDU-Mann natürlich weniger gefallen hatte.
Natürlich will er mich mit seiner zionistischen Hardliner-Haltung aus der Reserve locken, was ihm aber nicht gelingt. Werde mich doch nicht vor laufenden Kameras auf sein bewährtes Glatteis führen lassen. Im großen und ganzen gelingt es mir, seine Fragen sachlich zu beantworten und hier und da – in aller Freundschaft – auflaufen zu lassen. Schaffe es sogar, einen kleinen Abstecher zum Thema Afrika einzufädeln, womit die Sendung dann auch in versöhnlicher Form zu Ende geht. Schon allein dafür hat sich der Aufwand gelohnt. Danach mit Stephan zum Thailänder, Hotel, Nachtruhe und gegen 11 Uhr am Freitag zurück nach Köln.