Köln – Berlin – Köln
Wäre auch noch schöner gewesen, wenn die Rückfahrt von Potsdam nach Köln reibungslos verlaufen wäre: Zehn Minuten vor der Ankunft im Kölner Hbf plötzlich ein Geräusch, als ob eine Abrissbirne ein Laufställchen zertrümmert. (Ich sitze auf Platz 106, dem ersten Sitzplatz hinter der Lokomotive.) Vollbremsung und wenige Minuten später die Durchsage, die wohl alle erwartet hatten: „Aufgrund eines Personenschadens …“ Da hat man dann plötzlich ganz viel Zeit. Selbst die ansonsten pausenlos auf ihre Handys einredenden Business-Typen werden mucksmäuschenstill. Aus dem angekündigten „… bis zu drei Stunden Verzögerung“ werden nur knapp zwei, dann ist der Zwischenfall protokolliert und die Spuren beseitigt, wir können weiterfahren. Allerdings ist der Tag jetzt für mich definitiv gelaufen, schade, denn eigentlich wollte ich mit Tina heute Abend in den Stadtgarten, wo H.V.G.s Mädels „Ganes“, ein Showcase spielen.
Dienstagvormittag findet im Sportmuseum im Rheinauhafen die Veranstaltung „Blick nach Afrika“ statt. Eingeladen hat „köln kickt /Rheinflanke GmbH“ und meine Rolle ist die, Kölner Hauptschülern kurz vor der Fußball-WM die Kindersoldatenproblematik näher zu bringen. Nicht unbedingt der leichteste Job, aber ich habe schließlich dann doch den Eindruck durchgedrungen zu sein. Matthias Scherz ist ebenfalls eingeladen und steht Rede und Antwort zum Thema Profifußball. Schön zu sehen, wie unbefangen die Kids nach allem fragen, was sie in diesem Zusammenhang interessiert. Für mich leicht irritierend, meinen alten Freund jetzt als Ex-Profi in einer ganz anderen Rolle als gewohnt zu sehen, aber er schlägt sich wirklich wacker. Um die „soziale Dimension des Fußballs“ geht es. Das deutsche „Netzwerk Straßenfußball“, dem auch „köln kickt“ angeschlossen ist, wird eine Delegation aus acht Städten nach Südafrika schicken. Wie schon wiederholt gesagt: Es wäre wirklich großartig, wenn der Kontinent Afrika durch die WM in Südafrika in Zukunft mehr Aufmerksamkeit bekäme. Jedenfalls gilt es momentan, jede sich bietende Gelegenheit wahrzunehmen.
Donnerstagmorgen – obwohl der deutsche Luftraum soeben wieder für den Flugverkehr freigegeben wurde – wieder per ICE nach Berlin. Aus all den Einladungen zu Fernsehsendungen und Talk-Shows hatte ich mir die von Maybrit Illner ausgesucht, weil ich sie für die seriöseste unter den zur Debatte stehenden halte, denn beim Thema „Missbrauch“ ist jeder Anflug von Boulevard kontraproduktiv. In Berlin angekommen stelle ich fest, dass der in Köln stattfindende Frühling hier noch etwas schwach auf der Brust ist. Dasselbe also, was mir letztens noch in Wien passiert war. Mein Spaziergang vom Hauptbahnhof am Reichstag vorbei durchs Brandenburer Tor und weiter „Unter den Linden“ bis zur Ecke Friedrichstraße endet schließlich bei Esprit, wo ich mir zitternd eine Sweatshirt-Jacke kaufe. Eine denkwürdige Strecke, vorbei an der russischen Botschaft, wo Schmal, Blondie und ich 1984 am Abend vor unserem Rauswurf von der Volkspolizei eingefangen und zum „Hotel unter den Linden“ zurückgefahren wurden. Dabei wollten wir lediglich mit meiner Töle Gassi gehen und uns den „antifaschistischen Schutzwall“ von hinten ansehen. Wie blauäugig waren wir damals eigentlich?! Jedenfalls steht jetzt auf der damaligen Vorwiese des Hotels ein edler Shopping-Komplex, in dem auch wärmende Klamotten für kleine Rock’n’Roll-Sänger erhältlich sind. Et hätt noch immer joot jejange! Treffe mich im Café Einstein auf einen gemütlichen Plausch mit Joachim Hentschel vom „Rolling Stone“, der ja von München nach Berlin umgesiedelt ist und gehe dann um 18.45 Uhr die paar Schritte weiter zum ZDF-Studio im Zollernhof, wo heute „Maybrit Illner“ mal ausnahmsweise aufgezeichnet wird. Denke, wir sind dem Titel „Missbrauchen und vertuschen – geht der Verrat an unseren Kindern immer weiter“ ziemlich gerecht geworden, vor allem aber an keiner Stelle der Sendung in Klamaukgefahr geraten. Bleibt natürlich abzuwarten, was vor allem die katholische Kirche auch dauerhaft an Aufklärung betreiben wird. Vor allem natürlich spannend, was zu dieser Problematik noch stattfinden wird, wenn der Mediendruck nachlässt.
Nach der Sendung werde ich mit einem Pkw nach Köln gefahren (wo ich um 2.30 Uhr eintreffe), weil für den nächsten Morgen die Übergabe der drei von mir gestalteten Gondeln der Kölner Seilbahn geplant ist. Ein Termin, den ich unmöglich absagen oder verschieben konnte. Hatte bereits vor vier Jahre zugesagt mir etwas einfallen zu lassen, um dieser liebenswerten Kölner Institution unter die Arme zu greifen, aber immer war mir etwas dazwischen gekommen. Die Seilbahn war anlässlich der ersten Bundesgartenschau gebaut worden und sollte danach auch wieder verschwinden, was zu großen Protesten in der Kölner Bevölkerung führte. Somit blieb sie schließlich, wurde nur einmal abgebaut, weil die Zoobrücke exakt da gebaut werden musste, wo die Seilbahn den Rhein überquerte. Danach baute man sie wieder auf, und somit überquert sie seitdem nicht nur den Fluss sondern auch die Zoobrücke. Es war immer ein absolutes Highlight, wenn meine Mutter mit mir einen Ausflug mit Zoobesuch und anschließender Seilbahnfahrt in den Rheinpark und zurück machte. Danach ging es manchmal noch mit dem „Müllemmer Böötche“ stromaufwärts bis zum Rodenkirchener Kapellchen und mit der Rheinuferbahn zurück zur Südstadt. Eine ziemlich sentimentale Angelegenheit heute aber auch herrlich unbeschwert und fröhlich, was nach den Themen der vergangenen Woche gut tut.